Eine Diskussion in der HAZ am 13.4. hat mich gefreut, die hier wiedergegebenen , von Bildung geprägten Ansichten teile ich voll und ganz. Insofern hier ein Abdruck ohne Bearbeitung meinerseits:
LESERBRIEFE Zum Artikel „Aus für das generische Maskulinum“ vom 20. März:
Dass Frauen sich in den Berufsbezeichnungen wiederfinden wollen, ist mehr als nachvollziehbar. Nur ist das propagierte „Aus für das generische Maskulinum“ pragmatisch nicht erreichbar. Neben dem Arzt (Mann) gibt es die Ärztin (Frau). Die deutsche Sprache lebt aber von Wortzusammensetzungen. Wer steckt in einem Arztkittel – nur Männer? Oder tragen Ärztinnen die Kittel ihrer männlichen Kollegen? Gibt es die Ärztinpraxis mit einer Frau Doktorin? Wenn es einen Piloten und eine Pilotin gibt, benötigt Letztere künftig einen Pilotinnenschein?
Eine Meldung wie „Unmenschliche Zustände im Seniorenheim von xyz“ ist künftig irritierend. Denn „unmenschlich“ bezieht sich nur auf Männer (der Duden kennt für Frauen die „Menschin“), und im Seniorenheim leben offenbar nur Männer. Auch die Schlagzeile „Massenkarambolage auf der A 2: Drei Personen schwer, acht Personen leicht verletzt“ würde bedeuten, dass nur Frauen verletzt wurden: Die „Person“ ist ein generisches Femininum. Sprache ist weitaus komplexer als die Diskussion um das „:in“.
Siegfried Dierker, Hannover
Duden verliert seine Deutungshoheit
Mit der Überschrift des Interviews verkünden Sie unkritisch das Aus für das generische Maskulinum. Sie folgern dies aus der neuen Onlineversion des Dudens. In anderen Zeitungen las man es anders. Zur Ausgangslage: Die deutsche Sprache unterscheidet das biologische (Sexus) vom grammatischen (Genus) Geschlecht. Bei Letzterem sollte man von der grammatischen Gattung sprechen. Das biologische Geschlecht haben Lebewesen, die grammatische Gattung alle Substantive. Beim Genus ist das natürliche Geschlecht unerheblich, neutral. Es kann ein generisches Maskulinum ( Bürger, Einwohner), Femininum (Person, Waise) oder Neutrum (Opfer, Kind) sein.
Die Genderideologie bekämpft das generische Maskulinum, jedoch nicht konsequent. Denn bei negativen Begriffen belässt sie es beim generischen Maskulinum. Von einer Warnung vor Taschendiebinnen liest man nicht. Und bei der feministischen „Bibel in gerechter Sprache“ wird das Gebot: „Du sollst nicht stehlen“ in: „Sei kein Dieb“ – also nicht etwa in: „Sei keine Diebin“ umgewandelt. Akzeptiert wird das generische Maskulinum auch bei Tieren. Der Leinenzwang für Hunde gilt auch für Hündinnen.
Nicht angegriffen wird die grammatische Struktur beim generischen Femininum und beim generischen Neutrum. Bei Ersterem sind mit dem Begriff Personen Frauen und Männer gemeint. Es hat sich wohl noch kein Mann dagegen gewehrt, als Person bezeichnet zu werden.
Das generische Maskulinum entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch. Wenn der Duden diesem Sprachgebrauch zuwider der Gendersprache folgt, bildet er nicht mehr die Sprachwirklichkeit ab; er verliert die ihm häufig zugeschriebene Deutungs- und Definitionshoheit. Die „Berliner Zeitung“ titelte deshalb: „Der Duden schafft sich ab“ und schrieb, das Wörterbuch büße „jede Verbindlichkeit ein“. Aus diesem Grund werden in der eingangs genannten Presse bereits Alternativen zum Duden genannt.
Dr. Norbert Dörner, Hannover